Yellowstone

Aus dem Reisetagebuch von Sophie Döhner, 1893 – Yellowstone-Nationalpark

Yellowstone5Der Yellowstone-Nationalpark wurde 1872 von der US-Regierung gegründet und ist somit der älteste Nationalpark der Welt. Ziel der Gründung war nicht der Naturschutz sondern „ein öffentlicher Park oder Vergnügungspark zur Wohltat und zum Vergnügen der Menschen“. Die Betreuung und Verwaltung oblag einem ehrenamtlichen Superintendenten. Die USA stellten keine Gelder zur Verfügung. Seine Größe entsprach etwa derjenigen der Insel Korsika. Der Park besteht im Wesentlichen aus einem Hochplateau in ca. 2440 m Höhe, das ringsum von den Bergen der Rocky Mountains mit Höhen zwischen 3000 m und 4200 m umgeben ist. Der höchste Berg innerhalb des Nationalparks, der Mount Washburn ist 3122 m hoch. 62 % der weltweit bekannten heißen Quellen wie z.B. 3000 Geysire und Schlammtöpfe liegen im Park..

Vom Park zum Weltkulturerbe
Das Gebiet war unzugänglich und wurde deshalb von den Weißen nicht besiedelt. Eine
1. Expedition (von dem Geologen Hayden zusammengestellt) scheiterte 1859 wegen des Wintereinbruchs. Die erste erfolgreiche Expedition erkundete 1869 nach dem Ende des Bürgerkriegs das Gebiet. Eine weitere, die sog. 2. Hayden- Expedition, drang 1971 in das Gebiet ein und erforschte es 2 Jahre lang. 1880 haben die letzten Indianergruppen den Park verlassen.

Anfangs kamen viele Besucher zum Jagdvergnügen in den Park. Die Northern Pacifik Eisenbahngesellschaft gründete 1883 nördlich des Parks die Bahnstation Livingstone. 1883 wurde ein Jagdverbot erlassen, das jedoch von den Superintendenten wegen Mangels an Personal und Macht nicht durchgesetzt werden konnte. Dies änderte sich erst, als die US-Army 1886 die Leitung und den Schutz des Parks übernahm.

Dies war die Situation, in der am 24. Juni 1893 Sophie Döhner morgens früh um 9.00 Uhr mit dem Zug in Livingston angelangte und in eine Zweigbahn umstieg, die in 2 Stunden hinauf ins Gebirge nach Cinnabar fuhr.

Yellowstone2„Dort nahmen uns große, mit 6 Pferden bespannte stage-coaches auf, und nun ging es langsam auf sandigem Wege bergan, oft an einem rauschenden Gebirgsbach entlang, im Ganzen jedoch nicht besonders malerisch. Ich hoffte hier nun endlich einmal Ansprache zu finden in einer kleineren Gesellschaft, die doch nun Tage lang auf einander angewiesen sein wird, und redete die Dame neben mir dreimal an, bekam aber nur Kopfnicken oder -schütteln, yes oder no zu Antwort, so gab ich es auf. Um 1 Uhr waren wir im Mammoth Hot Springs Hotel am Eingang des Nationalparks angekommen. Hier ist auch eine Garnison Soldaten zum Schutz des Parks und der dort noch hausenden wilden Thiere, die nicht geschossen werden dürfen.

In unseren sechstägigen Billets à 60 Dollar waren sämtliche Transport- und Hotelkosten inbegriffen, aber wir mußten uns durchaus dem vorgeschriebenen Reglement fügen; unsere Plätze und die Reihenfolge der Wagen waren genau vertheilt und konnten nicht gewechselt werden. Ich theilte fortan den Wagen mit einem vornehmen Franzosen, einem jungen amerikanischen boy, wie man hier die Jünglinge bis in die Mitte der zwanziger Jahre nennt, und einem früheren deutschen Seemann.

Bei schönstem Wetter begann am Sonntag, den 25. Juni, Punkt 8 Uhr, die Gebirgsfahrt. Zunächst war ich etwas enttäuscht, ich hatte mir eine Schweizerlandschaft vorgestellt, aber die Berge schienen lange nicht so hoch , und es lag kein Schnee darauf, dann sah man nichts als durch Brand geschwärzte oder abgestorbene, gespensterhaft aussehende Baumstämme zu beiden Seiten des entsetzlich staubigen Weges. Von einem solchen Staube hatte ich vorher noch keinen Begriff gehabt; als wir um 12 Uhr in den Zelten des Norris-Geyser-Basin ankamen, wo kalt gefrühstückt wurde, glichen wir Alle eingepuderten Müllersleuten. Nach nothdürftiger Säuberung wanderten wir nach dem sogenannten Basin; das ist ein riesiges Becken, von weitem einem halb erstarrten See gleichend. Sieht man aber näher hin, entdeckt man überall kleine Erhebungen, aus denen weißer Dampf aufwirbelt und dann eine kochende Wassermenge mehr oder minder hoch emporschießt. Das sind die Geyser, die das Eigenthümliche und Wunderbare dieser Gegend ausmachen. Nach dem die Wagen wieder bestiegen waren, ging es im gleichen Staube bergauf und bergab, theils durch Tannenwald, rechts den klaren, rauschenden Gibbon-River, links oft kahle Felswände aus schwarzen, glasartigem Gestein, Obsidian, der Weg so schmal und wenig solide gebaut, daß es einem angst und bange werden konnte. Der Franzose war fortwährend in nervöser Unruhe und schalt auf den Amerikaner, der bereits intime Freundschaft mit dem Kutscher geschlossen hatte und nun durch Plaudern dessen Aufmerksamkeit zerstreute. Wir kamen aber glücklich um ½ 6 im großen hochgebauten Hotel Lower-Geyser-Basin an, wo wir ein recht gutes Mittagessen bekamen. Nach Tisch passirten wir Alle gleich das ungeheure Becken, um den alle Stunde regelmäßig steigenden Fountain-Geyser zu sehen, der wirklich wundervoll wie eine aus Millionen Diamanten zusammengesetzte Fontaine in der untergehenden Sonne aussah. Überall umher dampfte es aus dem Boden und brodelte wie leiser Donner.

Yellowstone1Den 26. Juni. Heute machten wir einen Ausflug nach dem 2 ½ Stunden entfernten Upper-Geyser-Basin. Auf dem Wege dahin liegt der größte aller Geyser, der Excelsior, der 300 Fuß (ca. 91 m) hoch steigt, da es aber leider nur alle 4 Jahre geschieht , sahen wir nichts als die gewaltigen Dampfwolken, die stets über seinem mächtigen kochenden, sprudelnden Bassin schweben.

Den 28. Juni. Bereits um 7 Uhr mussten wir heute wieder fort, was immer seine Schwierigkeiten bei der langsamen Bedienung in amerikanischen Gasthöfen hat. Immer höher hinauf ging es durch schönen Wald; die abgestorbenen Baumleichen verschwanden, aber unzählige, abgehauene oder umgestürzte Stämme lagen am Boden, die bei dem unmöglichen Transport hier ungenutzt verfaulen. Oft ging es noch durch Schnee, oft durch furchtbaren Schmutz auf Wegen voller Löcher, an tiefen Abhängen entlang, bergauf und bergab; man wurde so umhergeschleudert und zusammengerüttelt, daß man sich mit aller Gewalt festhalten mußte. Es ist eine Schande, dass die Regierung nicht besser für die Wege sorgt, wir begegneten nur drei Straßenbauarbeitern.; aber so soll es hier immer sein, bei dem häufigen Wechsel des Präsidenten und seiner Creaturen will Jeder nur möglichst schnell sich selbst bereichern und sucht am Nothwendigen zu sparen. Dann ist auch immer Alles in Händen von Privat-Compagnien, die sich untereinander nichts gönnen.

Wundervoll war der Blick von der Passhöhe auf den Lake Shoshone und später auf den Yellowstone-Lake, den der gleichnamige Fluß durchfließt. Es ist der höchste und größte Gebirgssee der Welt, 7740 Fuß (2359 m) über dem Meere, den ein Dampfer befährt. Die Fahrt war herrlich, ringsum ein Kranz hoher, theils schneebedeckter Berge, deren Gipfel in den Titons sich bis zu 14000 Fuß (4267 m) erheben. Nach mehrstündiger Fahrt kamen wir am schön gelegenen Seehotel an, wo ich sofort trotz Wind und Kälte eine Skizze am Ufer malte; da that nachher das Kaminfeuer im Eßsaal recht wohl.“

Yellowstone3Der Höhepunkt des Parks wurde am 29. Juni nach beschwerlicher Fahrt mit den Pferdewagen über eine Hochebene, „wo wir gehörig froren“ erreicht. „Noch einmal kamen wir an einem Schlamm-Geyser vorbei, der, ungleich den anderen, aus einer tiefen Höhle floß, die mit tropfsteinartigen Gebilden überhangen war. Bald verkündete ein Rauschen die Nähe des ersten Wasserfalls, den hier der Fluß beim Hinabstürzen in eine ungeheure Schlucht bildet. Kaum hatten wir eine scharfe Biegung der Straße umfahren, als plötzlich der tiefe, berühmte Grand Canion vor uns lag, ein Anblick so fremdartig und großartig schön, wie nur selten die Natur ihn uns bietet, dann aber einen Moment das Herz stillstehen macht vor andächtigem Staunen. Da ragten zu beiden Seiten gewaltige Felswände, wohl 1000 Fuß hoch auf, in seltsamen Schroffen und Zinken von ganz unglaublicher Farbe, meist hellgelb, wonach das Thal wohl seinen Namen Yellowstone hat.“ Dem ersten folgte ein zweiter noch höherer sehr malerischer Wasserfall, den man am besten vom sog. Look out beobachten konnte, wo ich es mir trotz Wind und ängstlich hohen Sitzes nicht versagen konnte, eine Skizze aufzunehmen. Ich saß dort ganz allein in der erhabensten Einsamkeit; das einzige Leben war tief unter mir auf einer Felsspitze, ein Adlerhorst mit Jungen.

Abends war große zwanglose Zusammenkunft sämmtlicher Kutscher, Führer, Kellner und Gäste in der hall, was in Amerika nach dem Princip der Gleichheit aller Stände so Sitte ist, uns Europäern aber, und besonders den aristokratischen Franzosen, etwas sehr fremdartig amuthete.“

Die nächsten 2 Tage wurden für die Rückkehr nach Livingstone benötigt.

Das nächste Ziel von Sophie Döhner war Butte in Montana. Um Mitternacht traf sie dort ein und übernachtete in einem kleinen einfachen Hotel am Bahnhof.

„Butte ist die größte Bergwerksstadt der Welt, die im letzten Jahr für 21 Millionen Dollar Gold, Silber und Kupfer produzierte. Sie baut sich auf einem hügeligen Plateau auf: überall sieht man die Gebäude mit den Eingängen zu den 1500 Fuß (457 m) tief liegenden Minen und daneben die großen Mühlen. Rund umher liegen die kleinen unscheinbaren Häuschen der Bergleute, Sand dahinter, Sand davor, kein Baum, kein Strauch, aber elektrische cars bergauf und bergab. Es sind einige richtige Straßen da mit schönen Läden, denn bei dem großen Geldumsatz wird auch viel ausgegeben, und es soll viel gespielt werden. Gerade jetzt standen alle Minen still, denn durch eine Börsenspekulation im Osten, um das Gold in die Höh zu treiben, war der Wert des Silbers auf 62° gesunken, also darf für den Moment nicht mehr auf den Markt gebracht werden. Wenn diese Krisis anhält, was Monate dauern kann, werden Tausende Arbeiter brodlos.“ Sophie Döhner sieht sich noch den Betrieb der Lexington Mill an, wo das Erz erst ausgetrocknet, dann mit Hämmern zerstampft, im Feuer zu Pulver zermalen und darauf mit Quecksilber vermischt wird. Dann wird diese Mischung in große rotierende Pfannen verbracht. Dadurch wird die Verbindung aus Silber und Quecksilber vom übrigen tauben Material getrennt. Mittels weiterer chemischer Prozesse wird dann das Silber vom Quecksilber getrennt und in feste Form gebracht. Mit dem Nachmittagzug fuhr Sophie Döhner weiter und erreichte am anderen Tag morgens ihr nächstes Ziel, die Mormonenstadt Salt Lake City im Staate Utah.

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