Hawaii

Reisetagebuch von Sophie Döhner, 1893 –

Die Sandwich-Inseln (heute Hawaii)

Hawaii_BootAm 30. August 1893 hat Sophie Döhner an Bord des Schiffes „die Neue Welt Amerika“ über den pazifischen Ozean in Richtung Japan verlassen. Ihrer Reiseplanung kam entgegen, dass sich mehrere Schiffsgesellschaften in der Weise vereint hatten, dass die „Billetts“ der einen auch auf den Schiffen der anderen galten. „So combinierte ich ein solches Billet, das mich mit einem Dampfer der Oceanic Line nach Honolulu bringen sollte, von wo mich dann ein Schiff der Pacific Line nach 12 Tagen abholen würde, um die Reise nach Japan fortzusetzen. … Nachdem ich die bevorstehende Fahrt von 4720 Seemeilen mit 200 Dollar in Gold bezahlt und dafür eine schöne Cabine für mich allein auf der Australia erhalten hatte, ging ich an Bord, wo eine Unmasse von Menschen sich drängte. Aber als um 2 Uhr die Anker gelichtet wurden, blieben nur Wenige als Passagiere zurück; wir dampften langsam an den schönen Ufern, den Forts und Leuchtthürmen des Golden Gate vorbei. Wunderbar schön ist die stille Meerfahrt von S. Francisco bis Honolulu in dieser Jahreszeit. Wir waren einen ganzen Tag auf dem sog. Millpond, wo das Wasser so unbewegt war wie auf unserer Alster. Es ist herrlich auf dem obersten hurricane-deck, über das jetzt Sonnensegel gespannt sind.“ Dort machte Sophie sich in Gesprächen oder „Lectüre“ lesend mit den Verhältnissen ihres nächsten Ziels, des kleinen Inselreichs Hawaii vertraut: Polynesier besiedelten die Inseln erstmals vor 800 n. Chr. von den Marquesas-Inseln aus. Die Entfernung von 5500 km überwanden sie mit großen Auslegerkanus mittels einer Navigationstechnik, die sich nach Sternen, Strömung, Wolkenbildung und -zug sowie nach Vogel- und Fischschwärmen, Treibholz und anderen Pflanzenteilen orientierten. Eine zweite Einwanderungswelle folgte im 11. Jahrhundert n. Chr. von Tahiti aus…

Capitän James Cook, ein Engländer, entdeckte Ende Januar 1778 auf seiner 3. Pazifik-Reise die aus 8 größeren und 4 kleineren Inseln bestehende Sandwich-Gruppe wahrscheinlich als Zweiter für Europa (es wird vermutet, dass der Spanier Juan Gaetano bereits 1527 auf der Insel Hawaii landete). Cook sollte mit seinen Schiffen einen Weg zwischen Pazifik und Atlantik auf der nördlichen Route finden. Er gab der Inselgruppe den Namen des englischen Lord Sandwich Sandwich Islands…

Hawaii_Insel„Am 6.September wurden wir schon früh geweckt, und als ich aufs Deck eilte, lagen die langgestreckten, theils scharf gerippten, kahlen Bergzüge der Insel Oahu vor uns. Eine Stunde später landeten wir im Hafen von Honolulu, umringt von einer Bande nackter, brauner Jungen, die mit bewundernswerther Geschicklichkeit kleine Silbermünzen, die man ins Wasser warf, tauchend wieder mit dem Mund auffischten. Das Schiff legte am wharf an, also war keine unangenehme Bootfahrt über die Corallenriffe nöthig, über welche die schmalen Canoes der Eingeborenen wie zum Spaß pfeilschell dahin schossen. Es war überhaupt Alles ganz modern, ein Hotel-clerk und ein Expreßmann kamen an Bord, bald saß man im Wagen, und ein paar Minuten darauf war man im Hawaian-Hotel, einem großen, einstöckigen, von vielen Veranden rings umgebenen Hause inmitten eines Gartens voll fremdländischer Blumen. Da es wolkig und kühl war, machte ich mich sofort auf den Weg, die kahle Anhöhe oberhalb der Stadt, die Punchbow, einen ausgebrannten Krater, zu besuchen, um einen orientierenden Überblick zu gewinnen. Alles auf dem Wege war mir neu in den breiten, gartenartigen Straßen, an denen die Häuser fast versteckt im Grün lagen.“ Oben angekommen erwartete Sophie eine herrliche Aussicht auf die in einer Ebene in Grün gebettete Stadt sowie in andere grüne Täler die sich zu in der Ferne liegenden „Bergketten“ erstreckten. Dann stieg Sie einen steilen Pfad hinab, „bei dem es mir recht warm wurde und ich schon merkte, dass man sich in diesem Klima nicht viel körperliche Bewegung machen kann. Fast Jedermann hat hier seinen eigenen Wagen, den auch die Damen selbst lenken, außerdem wird viel geritten. Die Frauen sitzen nach Männerart zu Pferde, schmücken sich Hut und Brust dazu mit Blumenkränzen und sausen im Galopp dahin. Die hiesigen Frauen tragen alle ein loses, nachthemdartiges Gewand, den holoku, meist weiß und schöne gestickt; die fremdem Damen tragen es der Bequemlichkeit halber auch, aber nur zu Hause.“

Hawaii1901Sophie gab ein Empfehlungsschreiben beim deutschen Konsul Gl. ab, und wurde von ihm noch am gleichen Abend in seine Familie eingeladen, „wo ich noch häufig die liebenswürdigste Aufnahme fand“. Ihr wichtigstes Ziel in Hawei waren die berühmten Vulkane. Am dritten Tag brach sie mit einem Postschiff zu ihrer Besichtigungstour auf. „Es war ein buntes Gewimmel an Bord von Eingeborenen, Chinesen und Fremden; fast Alle waren geschmückt mit langen Kränzen von weißen, in einander gesteckte Blüthen der plumeria oder einer roten, corallenähnlichen Blume, und einige dicke Weiber, die als solche besonders schön gelten, waren fast überladen damit. Nach zweitägiger teilweise sehr stürmischer Fahrt erreichte Sophie die größte Insel Hawai mit den beiden höchsten Vulkanen MAUNA KEA und MAUNA LOA (jeweils ca. 4000 m hoch). Nach dem Ausschiffen in Ponalu sollte es mit einer kleinen Dampfbahn zur nächsten Station, einer 6 Meilen entfernten Zuckerplantage gehen, „aber die Maschine war zerbrochen und so musste die Reise dahin zu Pferde gemacht werden, und zwar , da es keine Damensättel gab, ward mir zugemuthet, nach einheimischer Art wie die Herren zu sitzen. Die Herren ritten voran; unvorsichtiger Weise machte mein Führer das Pferd vom Stricke los, ehe er selbst fertig war, und ohne Weiteres setzte sich dasselbe auf dem holprigen Lawaboden in Galopp. Das war mir außer Spaß, ich verstand nicht, es zurückzuhalten, hielt mich krampfhaft am Sattelknopf fest, fühlte aber schon, wie mein rechter Fuß den Halt im Steigbügel verlor und sah mich bereits mit gebrochenen Gliedern am Boden. Endlich, endlich hatte aber doch der Führer uns eingeholt und brachte das Thier zum Stehen. … Um 1 Uhr sind wir am half-way house, wo wir uns an gutem Hühnerfleisch und schlechtem Caffee stärken, und erst Abends 6 Uhr kommen wir halbgerädert und sonnenverbrannt im geräumigen volcano house an, wo wir die einzigen Gäste waren. Das Haus liegt hoch, dicht am Rand des Kraters und vom Zimmer aus blickt man hinein in den weiten Krater des Kilauea, der einen Umfang von ca. 14,5 km hat, dessen Wände schroffe, nackte Felsen bilden, dessen Boden ein erstarrter Lavasee ist, und nur am äußersten rechten Ende sieht man noch einige weiße Dampfwolken aufsteigen und hier und da feurigen Schein sich erheben.“ Am nächsten Nachmittag stieg die kleine Reisegesellschaft ca. 180 m tief bis zum Kratergrund hinunter. Dann ging es ca. 3 km über alte, feste Lava bis zu einem zweiten kleineren und Hawaii_Vulkannoch aktiven Krater. „Jenseits eines neuen, noch heißen Lavafeldes liegt der Feuersee, so zu sagen in einem dritten kreisrunden Krater von 300 m Durchmesser. Wenn man ihn, wie wir, zuerst bei hellem Sonnenschein erblickt, so ist die Täuschung, dass es ein wogender Wassersee ist, noch vollkommen, denn die Oberfläche der Lava glänzt und schimmert wie Wasser; aber wenn dann plötzlich eine Woge emporschlägt und anstatt weißen Schaumes rothe Gluthgarben emporzüngeln, dann beginnt das Grauen vor diesem einzig in der Welt dastehenden Naturschauspiel. Wie eine offene Wunde des Erdballs kam mir dies gewaltige Rund vor, aus der das rothe Blut unaufhaltsam hervorströmt, uns zeigend wie es da im Inneren kocht und siedet, wie dünn die Kruste ist, welche die Eintagsfliege des Menschen mit seinen stolzen Ewigkeitsbauten vom Untergang in dem verheerenden Element scheidet! Je dunkler es wurde, desto phantastischer leuchtete der See. Ich versuchte den Anblick in einer flüchtigen Farbenskizze festzuhalten. Allmählich versanken die Ufer in Nacht und vor uns lag es wie eine Riesenstadt mit tausenden von Lichtern; aber nur einen Moment der Ruhe gab es, hoch auf spritzten und sprangen wieder die geschmolzenen Lavamassen gleich Riesenfontainen an drei, fünf, sieben Stellen zugleich, oft mit Getöse ans Ufer schlagend, oft in Tausenden von Funken über den Rand stiebend. Wir wurden nicht müde des Schauens und begriffen wohl, dass die Eingeborenen diesen See als den Thron ihrer Göttin Pele ansehen, ihn heilig halten und gern ihre Todten darin bestatten.“

Einige Tage später ging es wieder zurück zum kleinen Hafen Ponalu: „Da ich mich nicht wieder einem Pferd anvertrauen wollte, ging ich allein zu Fuß auf den Schienen der Bahn nach Ponalu zurück, ohne Ahnung, dass die Ochsen, die ich hier und da antraf, halb wild seien und sehr oft Fußgänger, an deren Anblick sie nicht gewöhnt sind, angreifen sollen. Aber ungefährdet kam ich durch.“ Das nächste Problem erwartete Sophie bei der Einschiffung, was wegen der bewegten See keine Kleinigkeit war, da das Boot ellenweit von der Schiffstreppe entfernt war und man nur den Moment wahrnehmen konnte, wo eine Woge es hochtrieb, um hinauf zu voltigiren. Kleine Kinder wurden von den Matrosen einfach wie Bälle in die Höhe geworfen und oben von anderen aufgefangen. Wieder zurück in Honolulu blieben nur ein paar Tage, bis zur Abreise mit der China, dem größten Schiff der Pacific Company. Am Abend vor der Abreise kam der Consul mit Frau nochmals an Bord: „Wir tranken Champagner auf einstiges Wiedersehen in Deutschland und Fortsetzung der schnell geschlossenen Freundschaft. Am frühen Morgen kamen die Töchter, bekränzten mich mit rothen und gelben Girlanden und riefen mir den hawaischen Gruß und Segenswunsch zu: Aloha, aloha!“ Die Überfahrt nach Japan dauerte 10 Tage.

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