Weltreise im 19. Jahrhundert

Sopie Döhner unternahm von 1893 – 1894 ein Weltreise durch Nord- und Mittel-Amerika. Reisen, insbesondere Weltreisen, waren im 19. Jahrhundert ein abenteuerliches Unterfangen. Diesen Strapazen und diesem Abenteuerhunger haben sich nur wenige Menschen ausgesetzt, fast ausschließlich Männer. Um so bemerkenswerter ist, wenn eine couragierte Frau – Sophie Döhner – so eine Reise unternimmt und dabei noch akribisch und höchst literarisch ihre Eindrücke festhält.

So hören wir nicht nur, wie Städte und Landschaften in Nordamerika vor über 100 Jahren ausgesehen haben, sondern erfahren nebenbei auch etwas über Politik, den Streit um das Frauenwahlrecht und zwischen den Zeilen etwas über Einstellungen und Einschätzungen von Sophie Döhner selbst.

Wer war nun diese couragierte Frau? Sie wurde am 27.8.1844 in Hamburg geboren, absolvierte in Düsseldorf eine Malerausbildung und lebte bis 1892 im Haus der Eltern. Nach deren Tod unternahm sie ihre erste Weltreise. Die Zeit ihres Lebens ledige Sophie engagierte sich in Hamburg sozial, war „unermüdliche Helferin und Anregerin auf allen Gebietern der Wohlfahrtspflege, Gründerin der Ortsgruppe Hamburg des Evangelischen Frauenbundes, Verwalterin des von ihrer Mutter gegründeten Stifts und (hat sich) über Hamburgs Mauern hinaus als Schriftstellerin und Malerin einen angesehenen Namen verschafft“, wie es in einer Festschrift von 1954, 21 Jahre nach ihrem Tod, heißt.

Es existieren heute nur noch sehr wenige Exemplare ihrer Bücher “Aus der alten und neuen Welt” und “Weltreise einer Hamburgerin”. Wir möchten nun aus ihrem Tagebuch einige Stellen zitieren, die uns zeigen, wie es eine Frau vor mehr als 125 Jahren schaffte, allein durch die Welt zu reisen.

Die Weltreise beginnt in Genua am 26.04.1893 und  „endigt mit dem Moment, wo ich den Fuß zuerst wieder dauernd auf europäischen Boden setze, und gerade ein Jahr ist vergangen, seitdem ich in Genua mich zu derselben einschiffte.“

Reisetagebuch  – New York

ny1„Ich trat von Genua aus an Bord des Bremer Lloyd-Dampfers Kaiser Wilhelm II. meine Weltreise zunächst nach New York an. Das Schiff ist mit demselben Luxus ausgestattet wie die Dampfer der Hamburger Paketfahrt; die Cabinen sind luftig und groß, die Verpflegung ist vorzüglich. .. Wir sind über 200 Cajütspassagiere, meist Amerikaner, einige Italiener und Spanier, wenige Deutsche. .. Am Morgen des 12. Tages erst passiren wir die schmale, sandige Landzunge Sandy Hook, 18 miles von New York entfernt, wo die Zollbeamten an Bord kommen… mehr

Reisetagebuch -Von Philadelphia zu den Niagara-Fällen

niagara1Sophie Döhner beschreibt Philadelphia als eine Stadt, die, abgesehen von den drei Hauptstraßen, alle übrigen mit schlechten Pflaster und kleinen Häusern, keinen großstädtischen Eindruck macht.  „Sie war lange Zeit der wichtigste Ort nicht Pennsylvanien’s allein sondern der ganzen Union. Hier versammelte sich der Congreß, hier wurde die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten am 4. Juli 1776 erklärt, hier residierte der erste Präsident, hier blieb der Sitz der Regierung bis 1800, wo er nach Washington verlegt wurde…  mehr

Reisetagebuch – Chikago

chicagoChikago, Juni 1893, beherbergte damals den World’s Fair, die Weltausstellung. Sophie Döhner blieb 14 Tage in Chikago, „denn in kürzerer Zeit ließ sich kein auch nur einigermaßen genauer Überblick gewinnen“. Sophie Döhner hatte bereits im Jahr 1889 die Weltausstellung in Paris besucht und konnte nun kritische Vergleiche ziehen. Sie sah in den Weltausstellungen einen Wettbewerb der Nationen und suchte sich ein Bild zu machen über die Stärken der einzelnen Länder. Sie war stolz auf Deutschland: „Und da muss ich freudig bekennen, und allgemein wurde es auch anerkannt, dass wir Deutschen eine der weit vorgeschrittensten Nationen auf allen Gebieten der Wissenschaft und Industrie sind…  mehr

Reisetagebuch – Yellowstone

Yellowstone2Der Yellowstone-Nationalpark wurde 1872 von der US-Regierung gegründet und ist somit der älteste Nationalpark der Welt. Ziel der Gründung war nicht der Naturschutz sondern „ein öffentlicher Park oder Vergnügungspark zur Wohltat und zum Vergnügen der Menschen“. Die Betreuung und Verwaltung oblag einem ehrenamtlichen Superintendenten. Die USA stellten keine Gelder zur Verfügung. Seine Größe entsprach etwa derjenigen der Insel Korsika. Der Park besteht im Wesentlichen aus einem Hochplateau in ca. 2440 m Höhe, das ringsum von den Bergen der Rocky Mountains umgeben ist… mehr

Reisetagebuch – Salt Lake City und Minneapolis

Minneapolis1900Von Butte fuhr Sophie Döhner mit dem Nachmittagszug weiter und erreichte am anderen Tag, einem Sonntag, morgens (Anfang Juli 1893) ihr nächstes Ziel, die Mormonenstadt Salt Lake City im Staate Utah. Vor der Abfahrt erlebte sie in ihrem Coupé noch eine beängstigende Situation. „Es gab einen heftigen Streit zwischen Passagieren, die nicht zahlen wollten und dem Conducteur (Schaffner), der zu einem Kampf auszuarten drohte. Später hielt der Zug plötzlich auf freiem Felde: man zog 5 Taugenichtse unter dem Wagen hervor, die sich dort angeklammert hatten.“… mehr

Reisetagebuch – Mexico

MexicoCityCathedral„Die Stadt Mexico  liegt noch 8 Stunden per Bahn von Querétaro entfernt. Am Bahnhof wurde ich von meinen Vettern und ihren mexicanischen Frauen empfangen und in das Haus des jüngeren geführt, wo ich während meines vierzehntägigen Aufenthalts die herzlichste Aufnahme fand, was mir sehr wohl nach dem Alleinreisen that.“
„Den Mittelpunkt der Stadt bildet die Plaza, an ihr liegt der Nationalpalast, das Rathhaus, die Münze, lauter niedrige Gebäude mit flachen Dächern und Colonnaden davor…” mehr

Reisetagebuch – Kalifornien

California_Clipper“In Pasadena überschlage ich einen Zug; es ist dies ein beliebter Winteraufenthalt der Amerikaner in ähnlicher Lage  wie Bozen in Tirol. …. Gegen Mittag kam ich in Los Angeles an, einer großen, schönen, sehr belebten Stadt, wo ich für einen Tag wenigstens kurze Rast machte, aber es war so heiß, dass von Erholung nicht viel die Rede sein konnte. Deshalb fuhr ich auch nachmittags nach dem 11 miles entfernten  Seebade San Monica, um mich durch ein Seebad zu erfrischen”… mehr

Reisetagebuch- Hawaii

Hawaii_BootAm 30. August 1893 hat Sophie Döhner an Bord des Schiffes „die Neue Welt Amerika“ über den pazifischen Ozean in Richtung Japan verlassen. Ihrer Reiseplanung kam entgegen, dass sich mehrere Schiffsgesellschaften in der Weise vereint hatten, dass die „Billetts“ der einen auch auf den Schiffen der anderen galten. „So combinierte ich ein solches Billet, das mich mit einem Dampfer der Oceanic Line nach Honolulu bringen sollte, von wo mich dann ein Schiff der Pacific Line nach 12 Tagen abholen würde, um die Reise nach Japan fortzusetzen”… mehr

Reisetagebuch- Japan

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“Die Überfahrt von Honolulu nach Yokohama dauert dem Datum nach 10 Tage, in Wirklichkeit nur neun, denn sobald wir am 22. September den 180. Längengrad passiert haben, wird ein Tag im Kalender überschlagen, um die Zeitdifferenz (4 Minuten auf jedem Grad) auszugleichen. Wir schlafen vom Freitag also gleich in den Sonntag hinein und haben Sonnabend, den 23. September, völlig eingebüßt. Das Wetter ist ununterbrochen wolkenlos sonnig, die See fast spiegelglatt, die Hitze aber ziemlich unerträglich.” mehr

Die Rückkehr über Griechenland

Dieses letzte Kapitel hat eine ganz besondere Vorgeschichte: 2019 hat eine griechische Doktorandin mit uns Kontakt aufgenommen, die zu Reiseliteratur von Frauen über Griechenland forscht. Sie hatte ein besonderes Interesse an dieser mutigen Frau, “die trotz der Restriktionen und Schwierigkeiten eine solche Reise unternahm.” Nur:  Zu einem Reisebericht aus Griechenland fanden wir keinen Hinweis – bis die Doktorandin selbst den Text fand:  Am Ende von Sophie Döhners Buch “Weltreise einer Hamburgerin”. Den Originlatext hat Frau Theochari eingescannt und er ist jetzt als pdf-Datei abrufbar. Und noch etwas hat sie entdeckt: Eine Büste von Sophie Döhner, hergestellt vom damals bekannten Berliner Bildhauer Otto Stichling.